Winterbräuche
Die Jahreszeit des Winters nimmt ihren Anfang am 1. November, erreicht ihren Höhepunkt zur Wintersonnwende am 21.Dezember und geht am 1. Februar in den Frühling über.
Dieses Jahresviertel ist im Alpenraum reich an Brauchtum. Mancherorts scheinen im Winter ganze Dörfer auf den Beinen zu sein. In abendlichen Umzügen schwingen sie Glocken, knallen Peitschen und bringen zauberhafte Lichter zum Flackern.
Das dualistische Weltbild des Christentum hat diese geistige Welt zweigteilt und in guten Himmel und böse Hölle und die Gestalten der Unterwelt verteufelt. Fortan hatten die Menschen Angst vor „diesen Dämonen des Winters“ und wandten allerhand Magie an, um sich vor den bösen Kräften zu schützen, anstatt wie bisher einzuladen und von ihnen Kraft für das neue Jahr zu erbeten.
Das Fest zum 1. November entspricht dem keltischen Fest Samhain und dem katholischen Fest Allerseelen. Eine zarte, violette Blume kündigt die neue Jahreszeit an: die Herbstzeitlose, die im allemanischen Raum auch Kiltblume genannt wird. (allemanisch = Arbeit, Abend, in der Nacht). Jetzt beginnen die langen die langen Winterabende, an denen die Frauen früher beim flackernden Licht der Lampe am Spinnrad sassen und die neuen Stoffe verwebten.
Unsere Vorfahren hatten auf Grund ihres Wiedergeburtsglaubens eine starke Verbindung zu den Ahninnen und Ahnen. Funde aus der Alt- und Jungsteinzeit bestätigen, dass die Toten im Haus unter der zentralen Feuerstelle begraben wurden.
Auch das junge Christentum hatte seinerseits sein Totengedenken, das zunächst aber im Februar abgehalten wurde und nur den verstorbenen Märtyrern galt und hatte also gerade an dieser Stelle erhebliche Schwierigkeiten mit den heidnischen Bräuchen. Durch die die meist gewaltsame Christianisierung, wurde der Termin im 9. Jahrhundert just auf den 1. November verlegt. Damit sollte den „heidnischen“ Festen Einhalt geboten werden; Allerheiligen war geboren. Die einheimische Bevölkerung fand allerdings wenig Gefallen daran – abstrakte christliche Märtyrer konnten ihre persönlichen bekannten, verehrten und gefürchteten Toten nicht aufwiegen. Knapp hundert Jahre später nach Einführen von Allerheiligen wurde deshalb kirchlicherseits das nächste Fest geboren; Allerseelen, das nun am 2. November allen Verstorbenen galt. Dieser zunächst kluge diplomatische Schachzug der Kirche brachte allerdings ein Problem mit sich. Nicht verständlich war dem im tief verwurzelten Volksglauben, warum man nach dem Tod anhand aufgestellten „Sündenregister“ ausnahmslos in den Himmel oder in der Hölle landet. Gab es nicht etwas dazwischen? Eine „Läuterungsmöglichkeit“ für „lässliche Sünden“, wie z.B. ungetaufte Säugling? Auf Druck des Volkes reagierte die Kirche mit einer neuen Erfindung – dem Fegefeuer, das sich von fortan als „Zwischenraum“ gestaltete. Man war nicht mehr „da“, aber auch noch nicht ganz „dort“. Ein perfekter Ort also, wo die bis heute volkstümlichen „Armen Seelen“ zu Hause sind. Und diese heutigen Bräuche entsprechen wiederum dem Verhalten unsere Ahninnen und Ahnen rund um Allerheiligen und Allerseelen, wo ins die Toten besuchen. Noch heute sind Gräberbesuche in katholischen Gebieten am 1. November üblich. Bei aller Umformung und Schwierigkeit mit dem alten Kult hat die katholische Kirche eine klar übernommen; das Gedenken an die Verstorbenen. Auch wenn sie nicht mehr wiederkehren, so hat diese „geistige Ebene“ der Toten, der Heiligen und en Engel Zeit und Raum für Verehrung bekommen.
Nicht so in der protestantischen Kirche, die den katholischen Seelenkult ablehnt. Am 2.November 1522 predigte Martin Luther gegen den Totenkult und erklärte:“Du tust keine Sünde daran, wenn Du der Toten nicht gedenkst, denn das Totengedenken findet sich nicht in den10 Geboten. Gute Werke soll man vor allem den lebenden Armen angedeihen lassen, was zu den verdienstlichen Werken gehört.“
Auszug aus dem sehr lesenswerten Buch von Ursula Seghezzi „Macht Geschichte Sinn – Was uns mitteleuropäische Mythen, Sagen und Bräuche über unsere Zukunft erzählen“. Ursula Seghezzi studierte Religionswissenschaft, Theologie, Ethnologie und erwarb das Diplom als Naturheilpraktikern für Chinesische Medizin.
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