Winter – im Reich der Unterweltgöttin
Für das Winterhalbjahr sind eine Fülle von Erzählungen über Frau Holle überliefert. Der Winter war auch die härteste Zeit im ganzen Jahr – der Beistand des Göttlichen war am Nötigsten.
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Ausserdem weicht das Bild, das uns die alten Märchen und Sagen überliefern, so stark vom christlichen Jenseitsbild des Richtergottes und der niederträchtigen Hölle ab, dass es sich lohnt, sich in diese alten mythologischen Bilder zu vertiefen.
Je nach Region und Landschaft, in der die Menschen lebten, wurde die Unterwelt in unterschiedlichen Bildern gedacht. Im keltischen Norden ist das Jenseits die Insel Avalon, wo die Fee Morgane die die Totenseelen hütet. Von daher stammt der Begriff der Fata Morgana für eine unerreichbare Erscheinung. In Mitteleuropa, wo es keine Inseln gibt, ist das Jenseits der Apfelgarten der Holle. Ausserdem wird der Mutter-Erde-Schoss in das Bild eines Kessels gefasst. Nachdem die schwarze Urmutter-Göttin die verstorbenen Wesen mit ihrem Totenzug in die Unterwelt geführt hat, wandelt sie in ihrem Kessel-Schoss das Vergangene zu neuem Leben um. Sie braust, die rührt, sie kocht, sie geht schwanger, eine dunkle Jahreszeit lang.
Feuer unter dem Kessel
Das Feuer unter dem Kessel darf nie verlöschen, denn sonst würde das Rad des Lebens unterbrochen. Dieses Bild entstammt wohl der Lebenserfahrung der Frauen, die das Herdfeuer zu hüten hatten du erinnert an rituellen Feuer der Priesterinnen, die das Feuer der Göttin in ihren Tempeln hüteten – tagein und tagaus, jahrein und jahraus. Dieser Kult des Feuerhütens ist ums von den Vestalinnen, den Priesterinnen des Vesta-Kultes in Rom überliefert, sowie vom Tempel der Sonnengöttin Sul in Bath in England oder den Priesterinnen der Brigid in Irland. Auch Brigid hat, wie viele Göttinnen des alten Kultes, später eine christliche Heiligenvita erhalten. Ihre erste Vita wurde Mitte des 7. Jahrhunderts von Mönch Cogitosus verfasst und ist damit die älteste Lebensbeschreibung einer irischen Heiligen. Im Christentum galt sie als getaufte Göttin und als älteste Äbtissin, die im Jahr 523 gestorben sei.
Haupttätigkeiten der Urmutter-Göttin
Entschlüsselt man die Haupttätigkeiten der Urmutter-Göttin, entdecken wir darin folgende Merkmale:
- So soll Brigid das Kloster zu Kildare gegründet haben. Cill Dara bedeutet Eichenkirche, bzw. Zelle der Eiche, was auf einen alten Baumkult hindeutet.
- Alles, was Brigid in die Hand nahm, gedieh und vermehrte sich: Blumen und Kleeblätter entsprossen den Fussspuren Brigids (Frühling), in der Laube herrschte ewiger Frühling, und bei den Kühen Klosters versiegte die Milch nicht (Sommer).
- Die heilige Brigid stand allen hilfreich zur seite. Sie beschenkte die Armen und Kranken, sie verschenkte ihren heilkräftigen Gürtel an eine arme Frau (Herbst) und heilte Kranke und erweckte Tote (Winter), sie flickte mit einem Liebeszauber eine brüchige Ehe, aber sie verfluchte auch einen Apfelbaum einer geizigen Frau.
Quelle: Macht Geschichte Sinn – Was uns mitteleuropäische Mythen, Sagen und Bräuche über unsere Zukunft erzählen - Ursula Seghezzi
Über die Autorin: Ursula studierte Religionswissenschaft, Theologie, Ethnologie und erwarb das Diplom zur Naturheilpraktikerin für Chinesische Medizin.